Laudatio
von Katharina Hacker
Laudatio von Katharina Hacker (Deutscher Buchpreis 2006) auf Andreas Andrej Peters, dem SCIVIAS-Literaturpreisträger (Hauptpreis) des Bistums Limburg 2019, für seine Geschichte „Wo liegt Irbit?“
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Was ist der Mensch? – so lautete die Frage der Preisausschreibung.
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Andreas Andrej Peters kleine Geschichte zeichnet sich durch zweierlei aus. Die beiden Protagonisten, nicht mehr junge Männer, sind Typen in dem Sinn, in dem man es von einem Individuum sagt. Was für schräge Typen! Sie sind es auf die Weise, die uns Menschen bekömmlich ist, nämlich nicht ins Allgemeine verflacht, sondern in ihrer Individualität gleichsam aufgebrochen auf etwas Typsicheres hin. Anhänger der Prosa, Anhänger der Poesie. Kein Witz, denn darum geht es, um Prosa und Poesie, um Reisende nach Moskau und Reisende nach Sankt Petersburg. Andreas Andrej Peters wurde 1958 in Tscheljabinsk geboren. Russen sind die Protagonisten und ein Russlanddeutscher, und es kommt mir in der Geschichte vieles sehr russisch vor. Nicht nur des Wodkas wegen, der Zitate aus Puschkin. Die Substanz der Protagonisten ist das Räsonieren.
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Bevor ich auf die Geschichte eingehe und bevor Andreas Andrej Peters sie uns vorliest, möchte ich auf die Doppelbödigkeit bei der Beurteilung eingehen. Das eine ist die Idee, eine geschlossene, klare Geschichte zu finden. Ein literarischer Text, der eine Antwort auf eine Frage ist, als Geschichte, als Gedicht.
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Ein Text, bei dem sofort einleuchtet, warum der zu der Frage gehört. Wir haben den Text ausgezeichnet, bei dem das nicht so ist.
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Wir haben einen Text ausgewählt für den ersten Preis, der opak bleibt. Der unheimlich ist. Den man nicht zusammenfassen kann. Über den man streiten kann. Einen Text auch, der inobedient ist: Er beantwortet die Frage nicht. Er hat überhaupt etwas Unvorhergesehenes und Unberechenbares.
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Trotzdem hatten wir das Gefühl, es ist dieser Text, der ausgezeichnet werden sollte. Ich gestehe, dass es mich geradezu bewegt hat, als ich – erst letzte Woche – die Webseite von Andreas Andrej Peters fand, der im Ural geboren wurde, mit knapp zwanzig Jahren nach Deutschland kam. Es hat mich bewegt, weil sein Leben ihn wahrlich prädestiniert als Preisträger. Jemand, der Reflexion, Menschlichkeit und Sprache zu den Dreh- und Angelpunkten seiner Existenz gemacht hat.
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Laudatio von Katharina Hacker, Schriftstellerin und Jurorin
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Andreas Andrej Peters wurde 1958 in Tscheljabinsk (UdSSR) geboren, lebt und arbeitet in Laufen (Bayern) und Salzburg. Er war als Kolchosen- und Metallarbeiter, als Gastdozent und Pastor tätig und arbeitet als Krankenpfleger in Salzburg. Bislang erschienen von ihm mehrere Lyrik- und Prosabände, zuletzt »Orchester der Hoffnung unter der Leitung der Liebe« (Bernardus-Verlag 2019). Peters erhielt zuletzt den „SCIVIAS“ – Katholischer Literaturpreis des Bistums Limburg, 2019 und den Lyrikpreis des Verbandes Katholischer Schriftsteller Österreichs, 2019. Seine Gedichte wurden ins Russische, Englische und Türkische übersetzt.